Vom 12. bis 14. September fand in Leipzig das Fachforum „Diversity“ des Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) statt. Das Fachforum setzte sich aus den vormals getrennten Fachforen „Inklusion“, „Integration“, sowie „Frauen, Vielfalt und Geschlechtergleichstellung“ zusammen und fand das erste Mal gemeinsam an einem Ort statt. Denn sie verfolgen alle ein gemeinsames Ziel: Ein starkes Zeichen für Vielfalt im Sport zu setzen.
Am Freitag, den 13.September waren auch Marc Brando, Manager für Engagement & Ehrenamt bei Special Olympics Deutschland, und ich auf dem Weg nach Leipzig, um unsere Erfahrungen zu teilen und Empfehlungen für zukünftig stärkere Beteiligung von Menschen mit (geistigen) Beeinträchtigungen zu geben und unsere gesammelten Erfahrungen zu teilen.
In zwei Workshops zum Thema „Diversitätssensibles Freiwilligenmanagement“ gaben die Referent*innen Einblicke und Impulse für mehr Diversität im Ehrenamt.
Referent*innen des Workshops „Gemeinsam mehr Ehrenamtliche gewinnen“ waren:
- Sven Mysliwiec, Ressort Diversity, DOSB
- Juliana Groß, Projektleitung "Klischeefrei im Sport - no stereotypes"
- Younis Kamil, Projektkoordination „Bewegte Zukunft“, Türkische Gemeinde in Deutschland e.V.
- Marc Brando, Manager Engagement & Ehrenamt, Special Olympics Deutschland
- Und ich, Jenifer Sprenger, Event-Inklusions-Managerin, Special Olympics Deutschland
Der deutsche Sport ist nach wie vor auf verlässliches Ehrenamt angewiesen, um bestehende Angebote und Vielfalt des Angebots zu erhalten. Dies ist zwingend notwendig, um den deutschen Sport zu stärken und voranzubringen.
Zeit für das Ehrenamt zu finden ist schwer geworden. Um unsere Freizeitgestaltung konkurrieren viele potenzielle Beschäftigungen. Trotzdem sind folgende Personengruppen bei den Freiwilligen unterrepräsentiert:
- Frauen
- Menschen mit Beeinträchtigungen
- Menschen mit Migrationshintergrund
- Menschen, die nicht den klassischen gesellschaftlichen Bildern von „Mann“ bzw. „Frau“ entsprechen
Es sind Gruppen, die es zu erschließen, anzusprechen und zu begeistern gilt, denn sie bringen wichtige Aspekte ins Ehrenamt und in die Gesellschaft. Leider werden diese Menschen viel zu oft vergessen – vor allem im von Männern dominierten Sport.
Zudem gibt es Frauen, die sich gern engagieren würden, jedoch wird ihnen ganz selbstverständlich die ganze „Care-Arbeit“ überlassen. Menschen mit (geistigen) Beeinträchtigungen wird der Zugang zu Ehrenamt trotz des großen Mehrwerts nach wie vor erheblich erschwert, nicht zuletzt durch Vorurteile und Berührungsängste.
Marc hatte sich tief in die wissenschaftliche Auswertung der bekannten Daten zum Thema Ehrenamt begeben und sich damit auseinandergesetzt, wie sich die faktischen Zahlen zum Engagement von Menschen mit geistigen Beeinträchtigungen und ihrer Wahrnehmung sowie die Veränderung der Wahrnehmung im Zug der „Special Olympic World Games“ entwickelt haben.
Vor den Special Olympics Weltspielen in Deutschland gab es eine große Umfrage in Deutschland, die ermitteln sollte, wie Menschen und Sportler*innen mit Beeinträchtigungen allgemein von der Gesellschaft wahrgenommen werden. Diese Studie ergab vor den Weltspielen, dass Sportler*innen mit Beeinträchtigungen eher Mitleid entgegengebracht wurde.
Die Wahrnehmung von Menschen mit Beeinträchtigung und wie diese von Menschen ohne Beeinträchtigung gesehen werden wandelte sich im Zuge der Weltspiele auch durch die großartige Medienwahrnehmung. Auch der Kontakt in den „Host Towns“ also den Städten, in denen die Delegationen der vertretenen Länder wohnten, führte zu mehr Wahrnehmung Anerkennung und Respekt in und durch die Gesellschaft. Das ist ein großer Erfolg!
Leider bleibt auch zu erwähnen, dass die erfreuliche Entwicklung stagniert und sogar rückläufig anzusehen ist. Vor allem aus diesem Grund wird es zukünftig wichtiger denn je sein, den Sport und die Ehrenamtsstrukturen auch zunehmend auf Menschen mit Beeinträchtigungen zu erschließen, sie gleichberechtigt zu beteiligen und die Chancen zu ermöglichen, selbstwirksam im Ehrenamt tätig zu sein. Für sich und Andere. Denn nur was man hört und sieht, nimmt man wahr. Eine inklusivere Gesellschaft bedeutet die Fähigkeiten und Eigenschaften von Menschen mit Beeinträchtigungen nicht nur zu akzeptieren und zu tolerieren, sondern aktiv einzubinden, denn die Präsenz im Alltag
- baut Hemmnisse ab
- nimmt Berührungsängste
- fördert vorhandene und zu entwickelnde Fähigkeiten
Sport ermöglicht dabei Begegnung und Austausch. Gemeinsames Helfen kann die Basis für viele tolle Entwicklungen für sich und andere werden.
Für Menschen mit Beeinträchtigungen kann Ehrenamt der einfachste Weg sein, akzeptiert und wertgeschätzt zu werden statt nur bemitleidet oder ignoriert zu werden.
Wie die anderen Workshop-Beteiligten auch berichteten wir davon, wie wir es schaffen, diese Ziele am besten umzusetzen. Vor allem bei unserem Ziel für Freiwilligenhilfe mehr und dauerhaft verschiedene Menschen mit unterschiedlichen Begabungen, Erfahrungen und Eigenschaften zu gewinnen.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass nackte Zahlen leider selten zur Verbesserung beitragen. Für diesen Bereich war ich dabei.
Aus eigener Erfahrung konnte ich daher berichten, wie auf mich reagiert wurde und wird, wenn ich mich ehrenamtlich engagieren wollte oder will. Schon vor meinen Erfahrungen, die ich als Teilhabeberater für Special Olympics Deutschland im Rahmen des Projektes „LIVE – LOKAL INKLUSIV VEREIN(TES) ENGAGEMENT“ sammeln durfte, waren mir die Schwierigkeiten bekannt und ich versuchte durch Schilderung dieser Erfahrungen, Menschen dafür zu sensibilisieren, wie man besser mit Menschen mit Beeinträchtigung umgehen kann, die ihre Freizeit dafür einsetzen wollen, anderen etwas Gutes zu tun.
Zum Beispiel berichtete ich den Workshop-Teilnehmenden von meinen Erfahrungen und Eindrücken, die ich bei der Vorbereitung und Durchführung der Special Olympics Nationalen Winterspiele gesammelt. Außerdem sprachen wir über unser inklusives Helfenden-Team bei externen Veranstaltungen wie dem Velo City 2024, dem Generali Halbmarathon sowie bei den von Special Olympics Deutschland veranstalteten Events wie des parlamentarischen Abends, der Mitgliederversammlung und den Veranstaltungen im Rahmen des abgeschlossenen Projekts LIVE.
Natürlich machten wir deutlich, wie sehr es sich für Veranstalter lohnen kann, das Konzept des inklusiven Engagements von Special Olympics Deutschland zu nutzen und uns anzufragen. Wir betonten, wie gut das Engagement unserer inklusiven Helfenden bei (Sport)-Veranstaltung, insbesondere die gelingende Kooperation mit SCC Events bei den teilnehmenden Sportler*innen, dem Veranstalter und anderen Helfenden ankam.
Ich bin nach wie vor begeistert von der durchweg positiven Resonanz der Sportler*innen und anderen Beteiligten beim Berliner Halbmarathon aber auch beim Velo City in Berlin und berichtete davon, wie sehr es mich berührt hat, dass gerade auch sehr viele Teilnehmer*innen bewusst den direkten Kontakt zu den Helfenden suchten, statt sich wie geplant nur die Medaillen im Vorbeifahren und Gehen reichen zu lassen. Natürlich bot ich auch ein Einblick darin, wie sich durch diese besondere Situation auch Gespräche zwischen inklusiven Helfenden und Sportler*innen ergaben, die es sonst vermutlich nicht geben würde und von dem Mehrwert für viele Seiten durch dieses Projekt.
Nach unserer obligatorischen Einführung konnten die Workshop-Teilnehmer*innen aktiv werden, sich austauschen und gemeinsam neue Ansätze zu folgenden Fragen erarbeiten:
- Wie gelingt bessere und diversere Aufstellung des Ehrenamts?
- Was braucht es dafür vereinsseitig, strukturell, versicherungstechnisch?
- Wie und wo spreche ich eine diversere Freiwillige an?
- Was braucht es im Verein, im Mindset, Versicherungstechnisch?
Am Ende des Workshops wurden dann neue Erkenntnisse und erkannte Probleme formuliert und auf Pinnwände gebannt, welche am Ende des Tages den Workshop-Teilnehmern per E-Mail zugesandt wurden.
Beim zweiten Durchlauf wurde ich etwas entspannter und so wurde der zweite Workshop für mich einfacher, sodass ich mich besser auf meine Stärke konzentrieren konnte, Menschen davon zu überzeugen, wie viel die Gesellschaft davon hätte mehr Diversität zuzulassen und welchen Mehrwert es bringt, verstärkt darauf zu setzen:
- Ehrenamt in kurzfristige Projekte zu gliedern
- Vorurteile zu überprüfen und abzubauen
- Menschen mit und ohne Behinderung gemeinsam helfen zu lassen
Und
- Bewusst die Fähigkeiten wahr- und ernstzunehmen, sowie der ureigenen Energie von Menschen mit (geistigen) Beeinträchtigungen Raum zu geben
Müde aber glücklich über den rundherum gelungenen Workshop, bestens gelaunte und wissbegierige Teilnehmer*innen, die diese Impulse in ihre Vereine bringen und so für mehr selbstverständliche Diversität in Vereinsstrukturen bringen werden und nicht zuletzt ein großartiges Workshop-Team nehme ich von diesem Tag viel mit und hoffe, dass wir viel mitgeben konnten.
Ich bedanke mich für die einmalige Chance seitens des DOSB und bei allen Beteiligten und hoffe, das Sport das Mittel sein kann um
- Diskriminierung abzubauen
- Kontakte zu schaffen ohne Ab- und Ausgrenzung
- Kindern vorzuleben, wie man alle mitnimmt, statt auszugrenzen
Wen Du Tipps benötigst, wie diverses Ehrenamt funktionieren kann, können folgenden Gruppen und Bereiche Rat geben:
- Das Ressort „Diversity“ des DOSB
- Event-Inklusions-Manager und Sport-Inklusions-Manager des DOSB
- oben genannten Gäste
- Glaubensgemeinschaften
- Frauen-Gruppen
Aber natürlich stehe auch ich weiterhin für Fragen und Unterstützung zur Verfügung.
Mit lieben Grüßen und Sport frei!
Eure Jenifer