Weltweit nehmen Privatpersonen und Organisationen den Weltdownsyndromtag zum Anlass, Aufmerksamkeit zu erregen und bestehende Barrieren in den Köpfen und gesellschaftlichen Strukturen abzubauen. Unter dem diesjährigen Motto „Improve Our Support Systems“ (Stärkt unsere Unterstützungssysteme) soll ein Bewusstsein für die Wichtigkeit von Unterstützungsnetzwerken geschaffen werden. Hierzu gehören eine adäquate finanzielle Absicherung, Inklusion in Bildung und Beruf sowie eine gleichberechtigte Gesundheitsversorgung. Zum Weltdownsyndromtag traf Special Olympics Deutschland (SOD) Deeshyra und Lea Thomas. Beide lernten sich beim ehemaligen Basketball Zweitligisten Schwabach kennen und leben seit drei Jahren gemeinsam in Berlin. Während Deeshyra als Spielerin der Alba Berlin Frauen Woche für Woche auf Punktejagd geht, ist die ehemalige Profi Basketballspielerin Lea im Online Marketing bei adidas tätig. Mit den Beiden sprach SOD über den Alltag und den Umgang mit dem Downsyndrom, die Wichtigkeit positiven Denkens, die Rolle des Sports für Inklusion und Wünsche für die Zukunft.
Der diesjährige Weltdownsyndromtag richtet seinen Fokus auf die Entwicklung von Unterstützungssystemen. In welchen gesellschaftlichen Bereichen bedarf es eurer Meinung nach Verbesserungen?
Deeshyra: Die Diagnose, dass Skye mit einer Beeinträchtigung zur Welt gekommen ist, erhielten wir erst kurz nach ihrer Geburt im Krankenhaus. Uns war schnell klar, dass wir uns selbstständig zum Downsyndrom unterrichten wollen. Dabei mussten wir feststellen, dass es im medizinischen Bereich einen großen Unterschied zwischen dem Ist und dem Soll Zustand gibt. In Teilen bestehen weiterhin ein veraltetes Verständnis und große Wissenslücken in Bezug auf das Leben und den Alltag mit Downsyndrom. Es bedarf weitreichender Aufklärungsarbeit, damit das Ärzte- und Pflegepersonal Familien adäquat unterstützen kann.
Lea: Dem schließe ich mich an. Seit Skyes Geburt haben wir tiefgründige Einblicke in die deutschlandweite Downsyndrom Community. Was auffällt: Im medizinischen Bereich gibt es signifikante Unterschiede zwischen den Bundesländern. Es gibt extreme Differenzen in Bezug auf mögliche Versorgungs- und Therapiemöglichkeiten sowie erstattete Förder- und Hilfsmittel. Oftmals verhindern Sprachbarrieren einen reibungslosen Informationsfluss, worunter viele Familien leiden. Hier herrscht akuter Handlungsbedarf. Gesamtgesellschaftlich ist weiterhin viel Aufklärungsarbeit notwendig. Wir wünschen uns, dass Deutschland zum Vorreiter und das Gesundheitssystem standardisiert und zentral koordiniert wird, sodass allen Familien die gleichen Versorgungsmöglichkeiten gewährt werden.
Wie hat sich euer Leben und euer Alltag seit Skyes Geburt verändert?
Lea: Da wir zum ersten Mal Eltern geworden sind, hat sich unser Leben unabhängig von Skyes Beeinträchtigung vollständig verändert. Mit ihrer Diagnose ist im positiven Sinne eine neue Welt für uns aufgegangen. Wir haben uns umfassend zum Leben mit dem Downsyndrom belesen, uns mit gleichgesinnten Familien getroffen und viele Verbündete gefunden, wodurch wir unseren Horizont erweiterten. Die Anfangszeit war sehr lehrreich, aufgrund der bestehenden Vorurteile gegenüber Menschen mit Beeinträchtigung herausfordernd zugleich. Wir fühlten uns zu Beginn unserer Elternzeit beraubt, weil weniger Skye als unsere Tochter, sondern vielmehr ihre Diagnose im Fokus stand. Zudem stellten wir fest, dass das Thema Beeinträchtigung weiterhin ein großes gesellschaftliches Tabu darstellt.
Ihr strahlt beide ein sehr positives Mindset aus. Was hilft euch dabei, diese Einstellung zu bewahren?
Deeshyra: Nach der Diagnose wollten wir bestmöglich verstehen, was Skyes Beeinträchtigung für uns und unser Leben bedeutet. Anfänglich war es eine Herausforderung, mit dieser unerwarteten Nachricht umzugehen. Aber ich bin ein zuversichtlicher Mensch und versuche, in allem das Positive zu sehen. Die Nachricht der Ärzte zu hören, war das eine, Skye zum ersten Mal in die Augen zu blicken, das andere. Als ich sie zum ersten Mal in meinen Armen hielt, zählte nichts anderes mehr. Ich verspürte sofort den Drang, ein positives Licht auf etwas zu werfen, das ich als wunderschön empfinde, unabhängig davon, ob die Welt es vielleicht anders sehen mag. Mir war es von Anfang an wichtig, meinem Umfeld zu vermitteln, dass Skye ein Mädchen mit Downsyndrom ist, sich aber nicht ausschließlich durch dieses charakterisiert.
Ihr hegt einen offenen Umgang mit der Beeinträchtigung eurer Tochter. Deeshyra ermöglicht in den Sozialen Medien täglich Einblicke in euren Alltag. Wieso liegt es euch am Herzen, auf Skye und das Downsyndrom aufmerksam zu machen?
Deeshyra: Als wir uns nach Skyes Geburt über das Downsyndrom informierten, kam schnell die Erkenntnis, dass die positiven Seiten kaum beleuchtet werden. Daher wollten wir als gutes Beispiel voranzugehen und Inklusion für alle erlebbar machen. Seitdem teile ich unseren Alltag unter dem Motto „Let´s get down!“ täglich bei Instagram. Wir wollen aufzeigen, dass es eine große Diskrepanz zwischen dem öffentlichen Meinungsbild und dem tatsächlichen Alltag mit Downsyndrom gibt. Jeder Mensch sollte sehen, wie großartig es ist, ein Kind mit Downsyndrom zu haben. Auf die Postings bekommen wir sehr positive Resonanz, regelmäßig gibt es Nachfragen zum nächsten Posting. Die Menschen fragen bewusst nach Skye und nicht nach ihrer Beeinträchtigung und genau darum sollte es gehen.
Lea: Deeshyra stammt aus den USA und hat daher einen anderen Zugang zu Inklusion. Die US-amerikanische Gesellschaft ist in Bezug auf Inklusion deutlich fortgeschrittener als die deutsche. Während Menschen mit Beeinträchtigung in amerikanischen Schulen sowie im Beruf fest zum Alltag gehören, haben sie hierzulande nur geringe Möglichkeiten zur Teilhabe am öffentlichen Leben. Aufgrund dessen war ich in den ersten Wochen nach Skyes Geburt sehr ängstlich. Zu dieser Zeit war Deeshyra ein großer Rückhalt. Sie hat mir dabei geholfen, offensiv mit Skyes Beeinträchtigung umzugehen und Aufmerksamkeit für das Thema zu schaffen. Das Feedback auf Deeshyras Postings ist überwältigend. Viele Menschen, die selbst Verwandte oder Bekannte mit Downsyndrom haben, berichten uns davon, sich nach Vorreitern und Gleichgesinnten gesehnt und diese in uns gefunden zu haben. Es ist unglaublich schön zu hören, wie sehr sie sich dadurch verstanden und ermutigt fühlen. Das treibt uns an.
Neben eurem Engagement in den Sozialen Medien setzt ihr euch lokal für mehr Inklusion ein.
Deeshyra: Richtig. Aufgrund der positiven Resonanz zu unseren Postings wollten wir unser Engagement erweitern und starteten die Fundraising Aktion „Let´s get down!“. Die Spenden kommen der Selbsthilfeorganisation „Down Syndrom Berlin“ und dem „Pastor-Braune-Haus“ zugute. „Down Syndrom Berlin“ engagiert sich für die Verbesserung der Lebensqualität von Menschen mit Downsyndrom und ihren Familien, während das „Pastor-Braune-Haus“ individuelle Hilfen für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mit geistiger und mehrfacher Beeinträchtigung bietet. Zum Start der Aktion haben wir T-Shirts mit dem Slogan „Let´s get down!“ drucken lassen und an Bekannte verschenkt. Aktuell planen wir eine größere Auflage und sind auf der Suche nach Partnern, die uns bei der Produktion der T-Shirts unterstützen können. Der gesamte Erlös soll den beiden genannten Organisationen zugutekommen.