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23.08.2023

"Manchmal drehen wir uns im Kreis"

Christian Dietze arbeitet in der Peer-Beratung der Diakonie Himmelsthür in Hildesheim in Niedersachsen. Er hat sich zum Teilhabe-Berater ausbilden lassen und in seiner Stadt das Host Town Program der SOWG 2023 mit organisiert.

Christian Dietze vergleicht das, was er tut, gern mit Gartenarbeit. „In meiner Stadt Hildesheim muss das Thema Inklusion immer weiter gehen. Das hört nicht mehr auf. Genauso ist es, wenn man einen Garten hat. Dort gibt es auch immer etwas zu tun“, sagt er.

Der 33-Jährige arbeitet seit Juni 2021 in der Peer-Beratung der Diakonie Himmelsthür in Hildesheim. Anfangs konnte er mit der Bezeichnung seines Aufgabengebietes nur wenig anfangen. „Ich erkläre das anderen nun immer so: Ich selbst sitze im Rollstuhl und habe eine Sehbeeinträchtigung. Und ich berate andere Menschen, die ebenfalls eine Einschränkung haben und kann mich in deren Situation besser versetzen als andere“, sagt Christian Dietze.

Er kümmert sich vor allem um die Wohnsituation von Menschen mit einer Behinderung. Er bearbeitet  Anfragen und versucht Unterkünfte in der Stadt und in der Region zu vermitteln. Wenn er nicht selbst helfen kann, dann leitet er diese Wünsche an seine Kolleginnen und Kollegen der Diakonie weiter.

Christian Dietze ist ausgebildeter Fachpraktiker für Bürokommunikation. Sein Arbeitsplatz ist auf seine Bedürfnisse ausgerichtet. An seinem PC ist eine spezielle Software installiert, damit Texte vergrößert und besser gelesen werden können und es gibt eine Sprachausgabe. Auf Terminen außer Haus soll ihn künftig eine Person begleiten, um Notizen zu machen. Denn Christian Dietze kann zwar eine Tastatur bedienen, aber selbst nicht mit der Hand auf Papier schreiben. Er hofft, dass sein Antrag für diese Arbeitsassistenz im September bewilligt wird.

Ihn stört, dass die Bedürfnisse von Menschen mit einer Behinderung noch zu oft übersehen werden. Vor einem guten Jahr hat er deshalb mit anderen einen „Barrierecheck“ in Hildesheim gestartet. „Wir sind mit dem Bus durch die Stadt gefahren und haben uns an den Haltestellen angesehen, wie die Bedürfnisse zum Beispiel von Rollstuhlfahrern berücksichtigt werden“, erzählt er. Ein anderes Mal sei überprüft worden, wie Menschen im Rollstuhl oder mit einem Rollator sich auf dem Kopfsteinpflaster in der Innenstadt bewegen können.

"Wir haben anschließend versucht, die Situation zu verbessern. Das hat geklappt und nicht geklappt. Immer wieder hieß es auch, dass die eine oder andere Vorschrift mitunter Veränderungen beim Kopfsteinpflaster oder an den Straßen nicht zulassen würden. Aber ich gebe nicht auf, selbst wenn ich manchmal das Gefühl habe, wir drehen uns im Kreis", sagt er.

 

Der Hildesheimer lobt besonders die Arbeit der Inklusionsbeauftragten Ulrike Dammann und des Behinderten- und Inklusionsbeirates der Stadt, zu dem er selbst gehört. In Vorbereitung der Special Olympics World Games im Juni 2023 habe sich das Netzwerk bewährt. „Die Vorbereitungen für das Host Town Program  wurden vom Beirat und der Stadt unterstützt. Das hat alles prima geklappt“, sagt er.

Der Fackellauf, an dem er selbst teilgenommen hat, und das inklusive Sportfest anlässlich der Special Olympics World Games seien sehr schön gewesen. „Wir haben dabei außerdem viel gelernt. Beim nächsten Mal müssen wir auf den Rasen Rampen für die Rollstuhlfahrer legen, damit die sich besser bewegen können“, erklärt er. Auf der nächsten Beiratssitzung im September soll das thematisiert werden.

Christian Dietze ist auch einer von mehr als 50 Teilhabe-Beraterinnen und -Berater bundesweit. Die Kampagne #ZusammenInklusiv ist die größte Inklusionsbewegung Deutschlands von Special Olympics Deutschland und hat sich zum Ziel gesetzt, mehr Sportmöglichkeiten für Menschen mit Behinderungen in den Einrichtungen der Behindertenhilfe und in Sportvereinen zu schaffen.

Um das zu erreichen, soll es mehr Kooperationen zwischen Einrichtungen der Behindertenhilfe und Sportvereinen geben. Dieses Projekt, gefördert vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales, läuft zum Ende des Jahres aus. Die Netzwerke sollen aber darüber hinaus aktiv bleiben.

Christian Dietze treibt selbst Sport, nutzt ein spezielles Fahrrad und läuft mit Stöcken. Bei der zweitägigen Ausbildung zum Teilhabe-Berater sei es vor allem darum gegangen, wie er Menschen mit einer Beeinträchtigung am besten beraten kann. Die Special Olympics World Games sieht er als einen wichtigen Impuls, damit mehr Menschen mit einer Beeinträchtigung Sport treiben.

Bei den Sportvereinen seiner Stadt sieht er bei dem Thema noch eine gewisse Zurückhaltung. Er möchte das deshalb im Hildesheimer Behinderten- und Inklusionsbeirat besprechen und mehr Aufgeschlossenheit gegenüber Menschen mit Beeinträchtigungen in Sportvereinen erreichen. Ganz sicher braucht es dafür viel Engagement. Aber wie gesagt: Der 33-Jährige sieht eben ganz viele Gemeinsamkeiten bei der Inklusions- und Gartenarbeit.

Text und Foto: Hartmut Augustin