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31.01.2024

„Im Sport ist alles möglich“

Die Träume des Skilangläufers Julian Straubinger bei den Special Olympics Winterspielen in Thüringen.

Julian Straubinger hat einen großen Traum. „Sport ist mein Leben“, sagte der Skilangläufer der BSG Neckarsulm beim Pressegespräch am Mittwochmorgen im Rahmen der Special Olympics Nationalen Winterspiele in Oberhof, „das Schönste für mich wäre, wenn wir, wie die Profis, auch einmal unser Hobby zum Beruf machen könnten.“ Nach dem Wettbewerb über 7,5 Kilometer wurde er drei Stunden später, wie die Profis, direkt im Ziel vom MDR interviewt. „Ich habe alles rausgehauen“, sagte er, „es war wirklich schwer heute. Der Schnee war tief und langsam.“ Trotzdem hat er ein hervorragendes Rennen gemacht und hinter Kevin Burba aus Bayern die Silbermedaille gewonnen.

Der 29-Jährige trainiert viel und hart, um vielleicht irgendwann seinem Traum näher zu kommen. Dreimal die Woche auf Rollski, „und wenn ich Urlaub habe, jeden Tag, manchmal auch mit dem Rad.“ Und natürlich auf Schnee, wann immer es zeitlich und wettertechnisch möglich ist. In Oberhof lässt der langsam schwindende Schnee dieses Mal gerade noch eine zweieinhalb Kilometer lange Runde zu, die am Mittwoch dreimal zu durchlaufen war, am Donnerstag dann viermal für den Zehn-Kilometer-Lauf. Der Birxsteig, dieser berühmte Anstieg auf der Oberhofer Langlaufrunde, ist zu Straubingers Bedauern dieses Mal nicht Teil der Strecke. Denn er hat es gerne, wenn die Strecken schwer und die Anstiege anspruchsvoll sind. Am Montag im Training hat der Schnee noch gereicht, und er ist den Birxsteig ein paar Mal hochgelaufen, voller Freude. Die Loipen und eben auch den Birxsteig kennt er von den Fernseh-Übertragungen der Oberhofer Weltcups. „Ich schaue immer Langlauf und Biathlon“, sagt er, „und es ist eine große Ehre für mich, jetzt selbst auf diesen Strecken zu laufen.“   

Es kommt ihm hier zugute, dass er kürzlich im Langlaufcamp des ehemaligen Skilangläufers Tobias Angerer, vielfacher Medaillengewinner bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften, eine Woche lang trainiert hat. „Er hat seine Technik deutlich verbessert“, sagt Angerer. „Er war anfangs ein bisschen hektisch in seinen Bewegungen. Ich habe ihm gesagt, er soll etwas ruhiger laufen und den Ski laufen lassen. Das hat er sehr gut umgesetzt.“ Am Montag hat ihm Julian Straubinger dann ganz aktuell ein Video aus Oberhof geschickt mit der Bitte, noch einmal seine Technik zu kontrollieren – natürlich wurde auch das gleich umgesetzt.

Straubinger und Angerer, seit 2012 auch Botschafter für Special Olympics (SO), haben sich schon 2009 bei den SO-Winterspielen Bayerns in Inzell kennengelernt. Längst ist eine Freundschaft daraus geworden. „Ich war schon oft mit Tobi langlaufen“, sagt Straubinger, „wir verstehen uns richtig gut.“ Angerer und sein Mitstreiter, der frühere Langlauf-Bundestrainer Trond Nystad, hatten dann vor ein paar Jahren die Idee, die Camps inklusiver zu gestalten und SO-Langläufer dazu zu nehmen. Natürlich war Straubinger als erster mit dabei. „Ich finde es schön zu sehen, wie sich die Faszination von Julian auf die anderen Teilnehmer ausweitet“, sagt Angerer, bei dem vor allem Hobbyläufer trainieren. „Julian ist ein toller Sportler. Er will gefordert werden.“  

Und das nicht nur im Langlauf, auch wenn das derzeit seine Herzenssportart ist. Er spielt auch Fußball in der baden-württembergischen Auswahl und hat mit der BSG bereits bei den Weltspielen 2019 in Abu Dhabi eine Bronzemedaille gewonnen. Nicht nur Tobias Angerer hat längst erkannt, dass Sport und Bewegung elementar sind für Menschen mit Beeinträchtigungen. „Das gibt ihnen so viel Selbstvertrauen“, sagt er, „und es baut bei allen Berührungsängste ab, weil man einfach ganz normal mit ihnen umgeht.“ So auch in Oberhof, wo Julian Straubinger quasi einen ständigen Begleiter hat. Der 13-jährige Niklas Wahl aus Heilbronn macht derzeit sein Schülerpraktikum bei der BSG Neckarsulm, teilt sich das Zimmer mit Straubinger und darf mithelfen, sozusagen als Assistent, dessen Ziele bei diesen Spielen umzusetzen. „Es ist super mit Julian“, sagt Niklas Wahl, der die BSG auch mit seinen Videos bei der Öffentlichkeitsarbeit unterstützt, „wir kommen hervorragend miteinander aus.“

Ein gutes Projekt als weiteren wichtigen Schritt zu mehr Verständnis füreinander und damit auch zu mehr Inklusion in der Gesellschaft. Und natürlich im Sport. Denn der Wunsch von Julian Straubinger für die Zukunft heißt: „Dass die Inklusion noch besser wird und wir besser unterstützt werden. Dass wir die gleichen Bedingungen bekommen wie Sportler ohne Behinderung.“ Auch wenn er sehr gerne als Landschaftsgärtner in Mössingen in der Naturpflege arbeitet, bleibt der große Traum, den Sport irgendwann einmal zum Beruf zu machen. Etwas näher könnte der kleine Traum im Lauf der Woche kommen: Sich hier in Oberhof für die Winter-Weltspiele in Turin im nächsten Jahr zu qualifizieren. Aber wie hat er in einem Interview vor zwei Jahren einmal gesagt: „Man kann alles erreichen. Im Sport ist alles möglich.“

Großes Fotos: SOD / Jo Henker